Seite 4 Die
Endknoten würden dann bewertet und der Zug, der in der Hauptvariante
dann die höchste Bewertung erhält, würde gespielt. Da
ist übrigens eine Sache, die man sich erst einmal klar machen muß: Die
Spielstärke eines Computer ist (ähnlich der eines Menschen sehr stark)
)von der Rechentiefe abhängig! Je tiefer der Rechner in den Suchbaum
herabsteigt, um so mehr gute Züge wird er finden und um so mehr
schlechte Züge wird er vermeiden können! Klingt
völlig logisch und würde bei konsequenter Verfolgung der
Brute-Force-Methode und deutlicher Vertiefung der Rechentiefe schließlich
sogar zum perfekten Spiel führen! Doch
leider scheitert diese Aufgabe an Caissas Variantengebirge. Folgendes
Beispiel mag das verdeutlichen: Durchschnittlich gibt es in einer
Stellung für einen Spieler 38 mögliche Züge. Der Gegner hat dann
ebenfalls etwa 38 Möglichkeiten, macht bei Berechnung sämtlicher
Varianten schon 38x38 = 1444 Möglichkeiten. Bei drei Halbzügen
Rechentiefe ergeben sich schon 54872 Züge und bei vollständiger
Berechnung von sechs Halbzügen muß der kleine Rechner tatsächlich
3010936384 Stellungen generieren und bewerten. “Schade” wird sich
Shannon gedacht haben, “so geht es nicht” und machte weitere
Untersuchungen. Von diesen 3 Billionen Zügen, so wird er sich überlegt
haben, sind die allermeisten sowieso blanker Unsinn. Denn unter diesen
Varianten sind viele, in denen der eigene König wie ein Betrunkener völlig
schutzlos im gegnerischen Lager herumtorkelt oder sämtliche Figuren des
eigenen Lagers sich dem Märtyrertod hingeben. Der Stein der Weisen
liegt also in der Vorwärts-Beschneidung der Varianten! Shannon
nannte seinen Gedanken-Ansatz mit Vorwärts-Beschneidung Typ-B. Hierbei
sollten im Voraus schon etliche Äste aus dem Variantenbaum geschnitten
werden, was die Zahl der Endknoten drastisch verringert! Man rechne
nach: Würden lediglich 2 Züge pro Halbzug überhaupt bewertet, müßten
für 10 Halbzüge nur 1024 Möglichkeiten betrachtet werden! Nun ja,
auch ein Großmeister muß sich gelegentlich mehr als zwei verschiedene
Möglichkeiten in einer Stellung anschauen, billigen wir dem Computer
also 10 Varianten pro Stellung zu. Bei einer Rechentiefe von sechs Halbzügen
müßten nur noch 60.466.176 Knoten generiert und bewertet werden. Na
immerhin! Das Problem beim Typ-B-Programm, das auch Shannon hier schon
sah, liegt, wie üblich, im Detail. Die große Schwierigkeit für den
Computer liegt darin, die guten Varianten von vorne herein zu erkennen.
Ein solches Programm müßte also eine gewisse “Intelligenz” bei der
Zugauswahl besitzen. In der Tat ist das bis heute der springende Punkt,
denn ein Zug, der in einer Stellung vernichtend für die eine Seite ist,
kann beim nächsten Mal schon genauso verheerend für die andere wirken! Dennoch
wird heute allgemein die Typ-B-Strategie, auch selektive Strategie
genannt, als die aussichtsreichste erachtet, zumindest für die
“kleinen” Schachcomputer. Programme auf Großrechnern rechnen
allerdings in der Regel immer noch nach der Brute-Force-Methode. Weniger
Beachtung fand noch die dritte von Shannon vorgeschlagene Konzeption
eines Schachprogrammes, sein Typ-C-Programm: Dieses sollte
“Gedanken” formulieren und dann rückwärts gehend, die Wege dahin
überprüfen, bis ein möglichst guter Zug dabei herausspringt. Doch die
praktische Umsetzung erwies sich als überaus schwierig und es gab nur
wenige Ansätze für Typ-C-Programme. 4:
1951; ZUNÄCHST NUR MATT IN ZWEI ZÜGEN: In
den folgenden Jahren gab es diverse Ansätze zur Umsetzung von Shannons
Programmtypen. Einer der ersten kam aus Manchester, wo der deutsche Dr.
Dietrich Günther Prinz 1951 ein Programm zur Lösung von zweizügigen
Mattaufgaben vorstellte. Dieses lief auf dem Computer MADM, dessen
geringe Speicherkapazität nur zur Rochade, Bauernumwandlung und eben
der Aufgabe ein Matt in zwei Zügen zu finden ausreichend war.
Demonstration gefällig? (2) DIAGRAMM 1: wKf8,Rh1,Pg6/bKh8,Bg8,Pg7,h7 Für
dieses zweizügiges Matt benötigte der Rechner damals etwa 15 Minuten!
Heute sind die Lösezeiten für Matt-in-2 kaum noch meßbar! Ein
weiterer interessanter Ansatz für eine Maschine, die Aufgaben mit der
Forderung “Matt in 2 Zügen” lösen sollte, wurde übrigens bereits
1949 von dem Ungarn T. Nemes vorgstellt. Doch leider wurde die von ihm
beschriebene Maschine nie gebaut. 5:
1956; SCHLIEßLICH EINE “KLEINE” PARTIE...UND DER ERSTE GEWINN GEGEN
EINEN MENSCHEN! Etwa
1950 begannen in Amerika die ersten Wissenschaftler mit der Entwicklung
von Schachprogrammen 1956 wurde das “Los-Alamos“-Programm fertiggestellt, bei dem allerdings immer noch einige Einschränkungen gemacht werden mußten! Gespielt wurde auf einem Schachbrett von nur 6x6 Feldern, auf dem es keine Läufer gab und keine Rochade sowie keine Doppelschritte mit den Bauern möglich waren. Bemerkenswert für die damalige Zeit war die verwendete Hardware: Es handelte sich bei dem Computer nämlich um den MANIAC-I-Computer von IBM, dessen 30 Tonnen Rechengewalt ursprünglich für die Entwicklung der Wasserstoffbombe von den Wissenschaftlern in Los Alamos genutzt wurde! |