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paar Worte zur Erklärung sind hier wohl nötig. Natürlich kannte
Echecs 1,9 die dreimalige Stellungswiederholung, warum strebte er sie
dennoch an, obwohl er doch relativ leicht gewinnen konnte? Die verblüffende
Antwort: Echecs hatte an dieser Stelle einfach viel zu viel Respekt vor
dem großen Mephisto! Für
gewöhnlich wird eine Remisstellung praktischerweise mit 0.00 bewertet.
Ein Computer wird also in einer für ihn schlechteren Stellung bei Möglichkeit
die dreimalige Stellungswiederholung anstreben, weil diese ja mit 0.00
die höchste Bewertung aufweist. In einigen Programmen gibt es jedoch
die Möglichkeit, diese Einstellung zu verändern. Der Sinn besteht
darin, sich in diesem Punkt optimal auf den Gegner einzustellen.
Folgende Beispiele mögen das verdeutlichen: 1.Das
Programm spielt gegen einen Patzer von 1000 ELO und kommt aus der Eröffnung
mit einem Minus von 0.10 Bauerneinheiten. Bei der erstbesten Gelegenheit
wird das Programm also versuchen die Stellung zu wiederholen. Für den
Programmierer wird dies wie ein Schlag ins Gesicht sein. Sein Programm
sollte doch einen Patzer mit 1000 ELO-Punkten problemlos schlagen! 2.Das
Programm spielt gegen den noch zu bauenden Supercomputer der Zukunft,
der 3500 ELO-Punkte besitzt. Dieses Mal kommt unser Programm mit einem
Plus von etwa 0.50 Bauerneinheiten aus der Eröffnung und besitzt die Möglichkeit,
die Stellung dreimal zu wiederholen. Unser Programm wird aber eine
dreimalige Stellungswiederholung vermeiden und wenige Züge später
durch die überlegene Rechenkraft niedergekämpft. Wieder ärgert sich
der Programmierer. Hatte sein Programm doch die Gelegenheit, gegen den
Super-Computer ein Remis herauszuholen! Zu diesem Zweck haben
irgendwelche klugen Programmierer den Remisfaktor entwickelt, der eine
gewisse Einstellung des Bandbreite erlaubt, innerhalb derer das Programm
das Remis anstrebt. Im ersten Beispiel hätte unser Programmierer also
gut daran getan, diesen Remisfaktor (auch “Geringschätzungsfaktor”
genannt) auf einen Wert unter -0,25 einzustellen, denn es besteht ja
eine berechtigte Hoffnung, daß unser Programm kleine Stellungsnachteile
gegen den Patzer noch selbst wettmacht! Im zweiten Beispiel hingegen
sollte unser Programmierer nicht so knauserig sein und ruhig einen Wert
über 0,50 für sich vorgeben, bei dem das Programm noch das Remis
anstrebt, denn ein Unentschieden gegen 3500 ELO-Punkte ist doch schon
was! Die
Programmierer Marc-Francois Baudot und Jean-Christophe Weill hatten
einen solchen Respekt vor dem Lang-Programm, daß sie ihrem Programm
vorgaben auch noch bei einem Vorteil von 4,0 Bauerneinheiten das Remis
anzustreben! Dies ist die Erklärung dafür, daß Echecs in der obigen
Partie auch noch mit der Qualität mehr mit der Stellungswiederholung
zufrieden war! Leider kostete dieser Fehler der beiden Programmierer das
Programm den Sieg. So reichte es nur zum zweiten Platz mit eben jenem
halben Rückstand auf den Mephisto Lyon! Später hörte man von diesem
Programm merkwürdigerweise gar nichts mehr, auch wurde es nicht
kommerziell verkauft. Auf
Platz 3 landete Gideon, eine neue Version des “Rebel“-Programmes von
Ed Schröder auf neuer superschneller RISC-Hardware laufend, die dem
68030 des Mephisto Lyon in nichts nachstand. Von diesem Programm würde
man aber später noch hören. Beim
1990er ACM-Turnier zeigte der Lyon dann ebenfalls seine Klasse, als er
mit Deep Thought und 4 Punkten aus 5 Partien gleichzog. Nach Feinwertung
reichte es nur zum zweiten Platz, aber dennoch ein grandioser Erfolg. Daß
Deep Thought wirklich deutlich stärker spielt als alle anderen
Schachprogramme, mußte 1990 auch David Levy erfahren. 1983 konnte er
Cray Blitz noch locker schlagen. Doch Deep Thought war in einem
Schaukampf eine Nummer zu stark für den ehemaligen britischen
Meisterspieler. 4:0 vernichtete der Computer den IM! 30:
1991: DAS NEUE SCHLAGWORT: RISC Vom
1. bis 11. Mai 1991, also nur sechs Monate nach der letzten Mikro- WM in
Lyon , wurde in Vancouver bereits die 11. Mikro-Weltmeisterschaft
ausgetragen. Und hier war es Zeit für eine Wachablösung! Sieger der
Experimentalgruppe wurde dieses Mal nicht der Mephisto mit dem neuesten
Wunderprogramm von Richard Lang, sondern Gideon. Zweiter wurde M-Chess
und erst dann kam der Lyon. Daß Mephisto die Herstellergruppe
(=kommerzielle Gruppe) kampflos gewann, wurde dagegen kaum noch
beachtet. Beim Play-off der beiden “Sieger” fürchteten beide
Programme einen Verlust und vereinbarten ein Unentschieden in nicht
ausgekämpften Stellungen. Die Gruppe der PC-Programme gewann natürlich
M-Chess, daß 1991 auch unumstritten das stärkste PC-Programm auf dem
Markt war. Nach
der WM kam dann auch Gideon auf den Markt. Allerdings weder als PC-
Programm noch als herkömmlicher Schachcomputer, sondern als Steckkarte
für einen PC mit eigenem Prozessor und Speicher. Gänzlich neu war
dieses Konzept allerdings nicht. Bereits Jahre zuvor gab es die Final
Chess Card, der ein ähnliches Konzept zugrunde lag. Mit Gideon kam denn
auch das Schlagwort RISC auf, denn der auf der Karte verwendete
Prozessor war ein ARM-2-RISC-Prozessor. |