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1993 sogar Vergleich anmelden. Auch den anderen Herstellern von Schachcomputern geht es nicht rosig, lediglich Saitek hat einige Spitzengeräte für die nähere Zukunft angekündigt.

Die Mikro-Weltmeisterschaft vom 31. Oktober bis zum 7. November in München wurde diesmal nicht von den großen, sondern von den kleinen beherrscht. Wäre nach fünf Runden abgebrochen worden, hieße der Sieger nicht Lang, Schröder oder Hirsch, sondern Chrilly Donninger aus Österreich mit seinem Programm Nimzo-Guernica. Ein Abbruch nach der sechsten Runde hätte das Programm Kallisto aus Holland vorne gesehen und ab der siebten Runde lag Hiarcs von Mark Uniake aus England vorne, der schließlich auch Weltmeister wurde. In der Herstellergruppe konnte Mephisto mit ihrem 20.000,- DM teuren Mephisto Genius knapp vor Task mit ihrem R30 gewinnen, so daß auch der erfolgsverwöhnte Münchener Hersteller nicht leer ausging. Der Stichkampf zwischen den beiden Siegern, bescheert Mephisto dann noch den Titel des absoluten Weltmeisters, so daß der Haussegen in München wieder gerade hängt!

 

33: 1994: EINE ÄRA GEHT ZU ENDE

Anfang 1994 war es dann soweit: Die Hegener & Glaser-AG, die mit ihren Mephisto-Schachcomputern vielfache Weltmeister geworden waren, konnten ohne finanzielle Unterstützung nicht mehr existieren. Hilfe fand sich beim Erz-Konkurrenten Saitek. Die Hongkonger Firma hatte zwar nur ein einziges Mal einen Weltmeistertitel erobern können, hatte über die Jahre aber ein besseres Management. Knapp 10 Millionen D-Mark soll sich Saitek die überschuldete Münchener Firma kosten haben lassen. Dies sicherte den weiteren Bestand des Marktführers in Sachen Schachcomputer in Deutschland.

Immerhin waren auf diese Weise nun wieder finanzielle Mittel für Neuentwicklungen vorhanden und interessierte Besucher konnten auf der Nürnberger Spielwarenmesse das erste PC-Schachbrett bewundern. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Brettern um einen Schritt “Back to the roots”. Lange Zeit gab es nur starke Schachcomputer. Mit der immer rascheren Hardware-Entwicklung auf dem PC-Sektor kamen jedoch die klassischen Schachcomputer immer mehr ins Hintertreffen. Ein Manko hatten die Superstarken PC-Schachprogramme jedoch immer: Man konnte nicht auf einem richtigen Brett gegen sie spielen. So kam es, daß Ende 1994 drei verschiedene PC-Bretter (das Chess 232, das Mephisto-PC-Brett und das Tasc SmartBoard) zu kaufen gab, die überwiegend mit den gängigen Schachprogrammen zusammen spielten.

Einen anderen Innovationsschub gab es wieder einmal auf dem Hardware-Sektor: Der Pentium-Prozessor hielt Einzug in die Turnierarena. Beim Intel-World-Chess-Cup im Mai 1994 in München belegte eine neue Version von Fritz (das spätere Fritz 3) auf einem Pentium 90 mit 12,5 aus 18 den geteilten ersten Platz zusammen mit Kasparov, aber vor der gesamten übrigen Weltelite! Der Durchschnitt der Gegner von Fritz lag bei sagenhaften 2625 Elo-Punkten.. Einen Stichkampf konnte dan allerdings der Weltmeister für sich entscheiden.

Einige Monate später war es mit der Überlegenheit des menschlichen Weltmeisters dann allerdings endgültig vorbei: Beim Intel World Chess Grand Prix im Juli 1995 mußte Kasparov in der ersten Runde gegen den Genius3 auf einem Pentium antreten. Diesmal wurden allerdings 25-Minuten-Partien gespielt. Doch das unglaubliche geschah: Zum ersten Mal mußte sich der menschliche Weltmeister in einem Wettkampf einer schachspielenden Maschine geschlagen geben; Das Ergebnis lautete 0,5-1,5 für den Genius. Hier die erste Partie, die Kasparov verlor.

 

(46) Kasparov,G (2800) - Chess Genius 3 Pentium [D23]

[Intel World Chess Grand Prix London, Juli 1995]

1.c4 c6 2.d4 d5 3.Sf3 Sf6 4.Dc2 dxc4 5.Dxc4 Lf5 6.Sc3 Sbd7 7.g3 e6 8.Lg2 Le7 9.0–0 0–0 10.e3 Se4 11.De2 Db6 12.Td1 Tad8 13.Se1 Sdf6 14.Sxe4 Sxe4 15.f3 Sd6 16.a4 Db3 17.e4 Lg6 18.Td3 Db4 19.b3 Sc8 20.Sc2 Db6 21.Lf4 c5 22.Le3 cxd4 23.Sxd4 Lc5 24.Tad1 e5 25.Sc2 Txd3 26.Dxd3 Se7 27.b4 Lxe3+ 28.Dxe3 Td8 29.Txd8+ Dxd8 30.Lf1 b6 31.Dc3 f6 32.Lc4+ Lf7 33.Se3 Dd4 34.Lxf7+ Kxf7 35.Db3+ Kf8 36.Kg2 Dd2+ 37.Kh3 De2 38.Sg2 h5 39.De3 Dc4 40.Dd2 De6+ 41.g4 hxg4+ 42.fxg4 Dc4 43.De1 Db3+ 44.Se3 Dd3 45.Kg3 Dxe4 46.Dd2 Df4+ 47.Kg2 Dd4 48.Dxd4 exd4 49.Sc4 Sc6 50.b5 Se5 51.Sd6 d3 52.Kf2 Sxg4+ 53.Ke1 Sxh2 54.Kd2 Sf3+ 55.Kxd3 Ke7 56.Sf5+ Kf7 57.Ke4 Sd2+ 58.Kd5 g5 59.Sd6+ Kg6 60.Kd4 Sb3+ 0–1

 

Daß dieses Ergebnis keine Eintagsfliege war, zeigte sich in der nächsten Runde, wo der bosnische Großmeister Pedrag Nikolic sogar 2-0 verlor. Erst der Schnellschachspezialist Viswanathan Anand konnte in der dritten Runde den Genius stoppen.

Ende 1994 machte sich dann noch ein weiterer alter Bekannter auf, die Computer-Elo-Listen zu stürmen: Den fünften Harvard-Cup, bei dem sechs Spitzen-Großmeister gegen sechs Spitzen-Programme spielten, dominierte das bis dato völlig unbekannte Programm W-Chess von David Kittinger mit einer Turnierleistung von 2895 Elo! Beim Uni-Platform-Turnier in London gewann dasselbe Programm dann mit 27,5 Punkten aus 30 Partien vor Hiarcs und M-Chess! Die spätere kommerzielle Version konnte jedoch diesen überaus positiven Eindruck nicht ganz bestätigen und gesellte sich in der schwedischen Elo-Liste zu den anderen Spitzenprogrammen, ohne diese jedoch übertrumpfen zu können.

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