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Ein kleiner Exkurs zum Thema Prozessoren in Schachcomputern: Die allerersten Schach-und Heimcomputer benutzten überwiegend den Z80- Prozessor von Prolog, der allerdings für heutige Maßstäbe nicht sehr leistungsfähig war. Relativ bald kamen dann jedoch 6502-Prozessoren auf, die auch heute noch in diversen Schachcomputern brav ihre Arbeit verrichten. Beide Prozessoren gehören zur Familie der 8-Bit-Rechner. Mit dem Mephisto Excalibur kam dann erstmals ein 68000 von Motorola in einem Schachcomputer zum Einsatz, der erste 16-Bitter. Der 16-Bit- Prozessor hatte die Vorteile, daß er höher getaktet werden konnte, größere Mengen Speicher verwalten konnte und einen größeren Befehlssatz besaß. Doch in der Praxis zeigte sich, daß der größere Befehlssatz für die Schachprogrammierung nur geringe Vorteile brachte, weil es beim Schach nicht auf komplizierte Mathematik, sondern auf einfachere Binärlogik ankommt. Außerdem benötigen die einzelnen Befehle bis zu 170 Taktzyklen für die Ausführung. Daher war es möglich, daß ein 6502 trotz der geringeren Taktfrequenz für die Ausführung eines Befehls weniger Zeit benötigte als der schnellere 68000. Ähnlich verhält es sich auch mit den in IBM-kompatiblen PCs verwendeten 80286-bis 80486- Prozessoren. Daher kam schon Mitte der 80er Jahre der Gedanke auf, Schachprogramme auf RISC-Prozessoren (=Reduced Instruction Set Computer =Computer mit reduziertem Befehlssatz) zu schreiben, doch der hohe Preis verhinderte einen früheren Einsatz.

Der in der Chess Maschine zum Einsatz gekommene ARM-2-Prozessor hatte denn auch etwa die vierfache Rechenleistung eines 386-SX-Prozessor. Nur die erst aufkommenden 486er und die selten verwendeten 68030er konnten da mithalten. Doch ohne gutes Programm ist auch der schnellste Prozessor aufgeschmissen. Welche Fähigkeiten nun die Chess Maschine hatte, zeigt die folgende Partie von der Mikro-WM in Vancouver gegen den späteren Zweiten M-Chess:

(45) Gideon - M-Chess [D87]

[Mikro-WM Vancouver, 4.Runde,  1991]

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Lc4 c5 8.Se2 0–0 9.0–0 Sc6 10.Le3 Dc7 11.Tc1 Td8 12.Lf4 Dd7 13.d5 Se5? (13...Sa5) 14.Lxe5 Lxe5 15.f4 Lg7 16.Tb1 Dc7 17.f5 gxf5?! Hier hat M-Chess wohl den Grundsatz "immer ins Zentrum schlagen" zu woertlich genommen! Jedenfalls war es nicht noetig, den Koenig zu entbloessen 18.exf5 a6 19.a4 Le5 20.g3 Lf6 21.Tf4 Lg5 22.Tg4 h6 23.Dc2 De5 24.Tf1 Kf8 25.De4? Warum will Weiss denn jetzt mitten im schoensten Angriff die Damen tauschen? 25...Df6 26.h3 Ld2 27.Tg6 Dh8 

28.d6!! Der Todesstoss! 28...exd6 29.Lxf7 Kxf7 30.Dd5+ Kf8 31.Dxd2 Ke8 32.Te1 Kf7 33.Dd5+ Kf8 34.Sf4 und M-Chess gab auf 1–0

 

Beim 22. ACM-Turnier 1991 in Albuquerque (Neumexiko) konnte M-Chess dafür glänzen, als es hinter Deep Thought II, einer neuen Version mit 24 Prozessoren und einer Rechengeschwindigkeit von ca. 5.000.000 Stellungen in der Sekunde, mit 4 Punkten aus 5 Partien auf dem zweiten Platz landete. Die Chess Maschine hingegen konnte ihre starke Leistung von der Mikro-WM nicht bestätigen und erreichte nur 2,5 Punkte. Einen halben Zähler mehr erzielte immerhin der Mephisto Vancouver 68030.

 

31: 1992: PREISE FALLEN!:

Der Konsument konnte 1991 zum ersten Mal seit langer Zeit wieder unter einer ganzen Reihe von Spitzenprogrammen entscheiden. Diesem Konkurrenzdruck konnte sich Mephisto nun nicht mehr entziehen und senkte die Preise! Das 16-Bit-Modulset mit Weltmeisterprogramm von Richard Lang kostete fortan nur noch etwa 1000,- DM statt wie bislang 2000,- DM! Der massive Preisverfall und ruinöse Wettbewerb des PC-Marktes hatte jetzt auch auf den Schachcomputermarkt übergegriffen. In der Tat taten nicht wenige Schachspieler und Schachcomputerfreaks den entscheidenden Schritt und legten sich einen PC zu anstatt eines neuen Schachcomputers! Merkwürdigerweise erkannte bis heute kein Schachcomputerhersteller diese Zeichen und bot Schachprogramme für PCs an. Die etablierten Schachcomputermagazine CSS und Modul aber erkannten den neuen Trend und widmeten sich immer mehr dem Schach auf dem PC. Die Modul verschwand 1993 sogar ganz vom Markt und erschien in leicht geändertem Gewand und unter dem neuen Namen PC-SCHACH neu.

Bezeichnend für diesen Trend, daß auch die 7.Schachcomputer- Weltmeisterschaft vom 23.11. bis 27.11.1992 von einem Gerät gewonnen wurde, das einen PC als Ein-/Ausgabe-Gerät benötigt und auch ansonsten ganz im Zeichen der “Kleinen” stand. Noch einmal zur Verdeutlichung, es handelte sich um offene Weltmeisterschaft, nicht um eine Mikro- Weltmeisterschaft! Strahlender und verdienter Sieger wurde die neueste Version der Chess Maschine mit 4,5 Punkten aus 5 Partien, was nichts anderes bedeutete, als daß ein Mikro absoluter Weltmeister wurde! Nur Rang 2 erreichte Zugzwang, ein relativ neues Großrechner-Programm, daß etwa 80.000 Stellungen pro Sekunde berechnen konnte. Auch Hitech enttäuschte mit dem 7. Platz. Einschränkend muß aber gesagt werden, daß Deep Thought nicht teilnahm.

 

32: 1993: MEPHISTO IN SCHWIERIGKEITEN:

Nach dem phantastischen Jahr 1990 ging es immer weiter Bergab mit Hegener & Glaser. Anfang 1993 fand diese Entwicklung einen traurigen Höhepunkt: Bereits 1992 geriet Mephisto in Zahlungsschwierigkeiten und mußte

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