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17: 1976: ...UND MIKROS!!

Irgendwann kurz vor der Jahreswende 1976/77 erscheint ein neues Spielzeug in den amerikanischen Läden und begründet damit die Dynastie der Mikros! Es war der FIDELITY CHESS CHALLENGER 1! Aus schachlicher Sicht ein Schnellschuß. Der Computer konnte kaum Schach spielen, verwechselte Reihen und Linien bei der Notation und prüfte die Eingaben des Gegners noch nicht einmal auf Legalität! Partie gefällig? Bitte schön: 1.Sg1-f3 Sg8-f6 2.Sf3-e5 Sf6-e4 3.Dd1f7!!?? Matt Genauso skuril ist auch der Hintergrund des Erscheinens des kleinen Schachcomputer: Fidelity-Chef Sid Samole sah eine Folge von Star Trek (bei uns bekannt als Raumschiff Enterprise), in der Mister Spock gegen den Bordcomputer Schach spielt und überlegte, ob er nicht auch einen Schachrechner herstellen könnte! Zufällig hatte einer seiner Mitarbeiter, Ronald C. Nelson, gerade ein Schachprogramm geschrieben. So kam eins zum anderen und der Grundstein für eine rasante Entwicklung und nicht zuletzt auch für diese Geschichte war gelegt!

 

18: 1977: CHESS HOLT SICH ENDLICH DIE WM-KRONE:

 

1977, also noch kurz vor dem Auftreten der ersten Mikros auf der Bildfläche, gelang der erste Sieg eines Computerprogramms gegen einen Titelträger. Hier die historische Partie:

(16) Chess 4.5 - Lasker IM,,E [C63]

[New York simultan exhib. by computer.29.03.1977]

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 f5 4.Sc3 Sd4 5.exf5 Sf6 6.Sxd4 exd4 7.Se2 c6 8.Lc4 d5 9.Ld3 Ld6 10.Sxd4 0–0 11.0–0 c5 12.Se6 Lxe6 13.fxe6 c4 14.Lf5 g6 15.Lh3 Se4 16.d3 Sxf2 17.Txf2 Db6 18.d4 Lxh2+ 19.Kf1 Txf2+ 20.Kxf2 Tf8+ 21.Ke2 c3 22.bxc3 Dc7 23.La3 Tf4 24.Dd3 Te4+ 25.Kd1 Lg3 26.Df3 Te1+ 27.Kd2 Db8 28.Df7+ Kh8 29.Lf8 Df4+ 30.Dxf4 1–0

Zu dieser Partie müssen aber ein paar Abstriche gemacht werden: Zum Zeitpunkt der Partie war Eduard Lasker nämlich bereits stolze 92 Jahre alt, spielte simultan und war praktisch nicht mehr aktiv.

 

Der Höhepunkt des Jahres war aber natürlich die zweite Weltmeisterschaft im Computerschach, die vom 7. bis zum 9. August 1977 in Toronto, Kanada ausgetragen wurde. Alle erwarteten, daß sich Chess 4,6, Nachfolger von Chess 4,5, diesmal an Kaissa für die Niederlage drei Jahre zuvor rächen würde, zumal der Rechner auf dem Chess 4,6 lief, mit 12x106 Operationen pro Sekunde etwa dreimal so schnell war, wie der Computer, der Kaissa abarbeitete. Doch wieder kam es nicht zum direkten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten. Diesmal war es Kaissa, das bereits in der ersten Runde am neuen amerikanischen Programm Duchess scheiterte. Chess 4,6 konnte Duchess hingegen besiegen und wurde so verlustpunktfrei Weltmeister:

 

(17) Chess 4,6 - Duchess [C43]

[2. WM Toronto, 3.Runde, 08.08.1977]

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.d4 exd4 4.e5 Se4 5.Dxd4 d5 6.exd6 Sxd6 7.Ld3 Sc6 8.Df4 g6 9.0–0 Lg7 10.Ld2 Df6 11.Dxf6 Lxf6 12.Sc3 0–0 13.Sd5 Lxb2 14.Tab1 Lg7 15.Sxc7 Tb8 16.Lf4 Td8 17.Sb5 Lf8 18.Lg5 Td7 19.Tfe1 b6 20.Sc3 f5 21.Sd5 Kh8 22.Lf4 Lb7 23.Sg5 Tc8 24.Sf6 Tdc7 25.Se6 Tf7 26.Sxf8 Tfxf8 27.Sxh7 Kxh7 28.Lxd6 Tfd8 29.Lf4 Td4 30.Lg5 Tg4 31.f4 Sa5 32.Te7+ Kg8 33.g3 Kf8 34.Tbe1 Lf3 35.Lh6+ Kg8 36.T1e3 Le4 37.Lxe4 fxe4 38.h3 Txf4 39.Lxf4 Txc2 40.T3xe4 Tb2 41.Te8+ Kf7 42.T4e7+ Kf6 43.Le5+ Kg5 44.Lxb2 Sc4 45.Lc1+ Kf6 46.Te6+ Kg7 47.Lg5 Sd6 48.Txd6 Kf7 49.Te7+ Kg8 50.Td8# 1–0 

Interessant war auch noch, daß in Toronto zum ersten Mal ein Programm mitspielte, das nicht eine Standleitung zu einem Rechenzentrum benötigte. Es war das Programm Ostrich von Monroe Newborn. Damit ist also Ostrich zu so etwas wie dem Urgroßvater aller Mikros avanciert!

 

Ganz genau weiß man es nicht, aber Chess 4,6 könnte das erste Programm gewesen sein, das die magische Elozahl von 2000 überschritten hat! Einen ersten Vorgeschmack von der Spielstärke des Computers bekam David Levy (s.o.), der in einem Simultanwettkampf gegen Chess 4,6 den kürzeren zog. Diese eine Partie wurde aber natürlich nicht in seine Wette miteinbezogen. Dennoch bleibt historisch zu vermerken, daß hier zum ersten Mal ein aktiver Titelträger gegen ein Schachprogramm verloren hat, wenn auch nur im Simultan! Wenig später mußte sogar ein Großmeister Lehrgeld bezahlen, allerdings nur im Blitzschach, einer alten Domäne der Schachcomputer! Der Unglückliche, dessen Name für eweig als erster großmeisterlicher Verlierer im Kampf gegen die Maschine vermerkt bleiben wird, war GM Michael Stean.

 

Das Chess 4,6 außerdem noch die ACM-Meisterschaft 1977 in Seattle gewann, verdient kaum eine Erwähnung,

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